Redebeitrag der AAJ am 09. November

Wir möchten mit einer positiven Nachricht beginnen: Kolleginnen und Kollegen der Uni Jena haben in einer großen Umfrage hier bei uns in Ostthüringen festgestellt:

  • Die Mehrheit der Menschen in Ostthüringen sind keine Rassisten.
  • Die Mehrheit der Menschen in Ostthüringen haben verstanden, dass die Geflüchteten von Not und Krieg vertrieben werden, und unsere Hilfe und Solidarität brauchen.
  • Die Mehrheit der Menschen hier bei uns ist bereit, Gastfreundschaft und Humanität zu zeigen.

Doch wie agieren Politik, Verwaltung und Justiz in Ostthüringen?

Justiz und Verwaltung tolerieren Faschisten! Die zaghaften Verbotsversuche der Stadt werden dabei vom Verwaltungsgericht in Gera sofort wieder einkassiert. Obwohl der personelle und inhaltliche Bezug der Thügida-Organisatoren zum deutschen Faschismus eindeutig belegbar ist, folgt das Gericht den Anwälten der Neofaschisten.

Doch selbst mit diesem Gerichtsurteil ergeben sich noch viele Möglichkeiten für die Jenaer Versammlungsbehörden, um dem Protest gegen die Nazis Raum zu geben. Was aber passiert stattdessen?

  • Die Ordnungsbehörden der Stadt Jena und die dem Thüringer Innenministerium unterstellte Polizei nutzen rohe Gewalt, um den Faschisten ihre Aufmärsche zu ermöglichen.
  • Ganze Stadtteile werden unter Ausnahmerecht gestellt.
  • Versuche des friedlichen Protests, z.B. durch Sitzblockaden wurden in der Vergangenheit mit Hundebissen, Schlagstöcken, Tritten und Schlägen und dem exzessiven Einsatz von Pfefferspray brutal unterbunden.

Zur Geschichte der Reichspogromnacht im November 1938

Festzuhalten gilt: Die Progrome waren kein spontaner Ausbruch, sondern sie waren gezielt vorbereitet und geplant. Es seien nur einige Daten genannt:

  • 1933 Verabschiedung des Ermächtigungsgesetzes
  • 1935 die Nürnberger Rassegesetze
  • 1938 die Reichsprogromnacht

Sie bilden wichtige Etappen des systematischen Staatsumbaus im faschistischen Deutschland ab, das am 1. September 1939 den 2. Weltkrieg beginnen sollte.

Die Reichspogromnacht hatte zum Einen das Ziel, die Bevölkerung gegen eine bestimmte Bevölkerungsgruppe aufzustacheln, die seit Jahrzehnten schon massiv unterdrückt wurde. Diese weitere Verrohung diente unter anderem der Kriegsvorbereitung. Doch es waren im Allgemeinen nicht die ArbeiterInnen, die sich am Vermögen der enteigneten Juden bedienten!

Stattdessen wurde für zahlreiche kleine und große Kapitalisten eine günstige Möglichkeit der Bereicherung geschaffen, indem sie sich die letzten verbliebenen jüdischen Geschäfte einverleiben konnten. Aber auch die faschistische Reichsregierung selber konfiszierte zahlreiche Vermögen, um die steigende Verschuldung für die Aufrüstung der Wehrmacht auszugleichen.

Thügida behauptet, heute an den Fall der Mauer im November 1989 zu gedenken. Doch welcher Aspekt steht bei Ihnen im Vordergrund?

Wir erinnern uns: nach dem Fall der Mauer strömten zahlreiche Faschisten aus dem Westen in die DDR und begannen NPD, Republikaner und Kameradschaften aufzubauen. Die zahlreichen Reichskriegsflaggen auf den Demonstrationen in Leipzig waren nicht in der DDR hergestellt worden. Auch der gezielte und staatlich unterstützte Aufbau neofaschistischer Terrorgruppen, wie den NSU sind hier zu nennen.

Wir erinnern uns – im Zuge des ansteigenden Nationalismus und der Stimmungsmache von Medien und Regierung gegen Asylsuchende kam es zu den Pogromen in Hoyerswerda oder Rostock im Osten, aber auch zu den grausamen Morden im Westen wie in Mölln und Solingen. Daran wollen Organisatoren und Mitläufer von Thügida anknüpfen. Sie wollen das Konzept der „national befreiten Zonen“ wiederbeleben.

Die soziale Demagogie von Thügida, AfD oder Dritter Weg wird für Teile der Gesellschaft immer anschlussfähiger.

Aber: Echte Erfahrung von Widerstand gegen die Profiteure von Niedriglohn und Arbeitshetze gibt es allerdings nicht durch Angriffe auf Flüchtlinge oder sogenannte Linke.

Ja es gibt die realen Probleme, wie:

  • Arbeitszeitverlängerung, steigender Leistungsdruck, Befristung
  • Jederzeit verfügbar sein zu müssen – und wenn gerade nichts zu tun ist, dann spontan nach Hause geschickt zu werden
  • die Missachtung von Arbeitsschutz oder Arbeitszeitgesetzen, ohne dass die Justiz sich darum kümmert

Aber wem nützt es denn, wenn die Leute in Niedriglohn gegen die Flüchtlinge aufgehetzt werden? Wem nützt es, wenn Arbeitslose über Flüchtlinge schimpfen, statt ihre Würde vor dem Amt oder bei den großen Firmen einzufordern?

Der deutsche Staat kann sich so z.B. ungehindert von breitem Protest als drittgrößter Waffenexporteur der Welt etablieren und Kriege im Interesse der deutschen Banken und Konzerne führen.

Wie soll sich das ändern?

Tariflöhne, Mitbestimmung bei der Arbeitszeit, unbefristete Arbeitsverträge…so etwas gibt es nicht mit den Nazis, sondern nur mit starken Gewerkschaften und Belegschaften, die sich der Spaltung in Leiharbeiter, Werkvertragler und Kernbelegschaft widersetzen.

Doch gerade Gewerkschaften werden von den Nazis angegriffen. Das haben in den letzten Jahren die Übergriffe auf Gewerkschaftsveranstaltungen am 1.Mai gezeigt.

Dabei ist die AfD auch nur die andere Seite derselben Medaille, wenn sie z.B. die Abschaffung des Mindestlohns fordert oder die Arbeitszeit möglichst individuell und flexibel für Unternehmen gestalten will. Sie fordert damit faktisch die die Aufhebung des 8 Stundenarbeitstages.

Und auch wenn die Afd aus wahltaktischen Gründen einige ihrer asozialsten Forderungen aus den Wahlprogrammen gestrichen hat so gilt doch immer noch: Wenn Arbeitslose und Niedriglöhner AfD wählen, stimmen sie für eine Verschärfung ihrer eigenen Situation.

Was wollen wir?

  • Wir wollen keine national befreiten Zonen!
  • Wir wollen keinen Hass gegen Geflüchtete, keine Gewalt gegen GewerkschafterInnen
  • Wir wollen gemeinsam für unsere sozialen Rechte kämpfen
  • Wir lassen uns nicht gegeneinander ausspielen, wir sind solidarisch!

Ein erster Schritt dazu ist der massenhafte Protest gegen jeden Versuch der Faschisten, ihre menschenverachtende Propaganda in die Öffentlichkeit zu bringen.

Noch besser ist es, sie gar nicht erst durch unsere Stadt laufen zu lassen. Gemeinsam mit dem Aktionsnetzwerk Jena rufen wir deshalb auf, mit friedlichen Blockaden unser Recht auf Widerstand zu nutzen.

Dabei stellen wir klar: Unser Gegner ist nicht die Polizei! Wir sind aber auch nicht bereit, den Vorstellungen einiger Herren aus Justiz und Verwaltung zu folgen, die unseren Protest gerne an das andere Ende der Stadt verbannen wollen. Wir wollen keine Naziaufmärsche in Jena. Nicht heute und nicht in Zukunft!

Wir fordern die Landesregierung und die Stadt Jena auf, ihre Angriffe auf den antifaschistischen Protest tausender JenaerInnen und Jenenser zu unterlassen.

Wir fragen Euch deshalb hier vor Ort:

  • Wollen wir die Faschos durch Jena marschieren lassen?
  • Wollen wir das soziale Demagogie und Hetze gegen Migranten, Geflüchtete und Andersdenke noch mehr zum Alltag werden?
  • Wollen wir „national befreite Zonen“?
  • Wollen wir Übergriffe und Pogrome?

Wir sagen laut und machen deutlich: Nein, das wollen wir nicht! Es gibt kein Recht auf Nazipropaganda!